Pin-Up-Docs Innere Werte: Jeden Monat sezieren wir für euch ein Thema aus dem weiten Feld der Inneren Medizin, berichten von unseren Praxiserfahrungen, verknüpfen mit aktueller Forschung und möchten euch kurzweilig Handlungsempfehlungen für euren medizinischen Alltag vermitteln.
In der vierten Folge beschäftigen wir uns mit dem Thema ‚Akute Herzinsuffizienz‘.
CME-Punkte könnt Ihr bis einschließlich 31. Juli 2021 erwerben. Um diese zu beantragen, könnt Ihr die in der Folge genannten Codewörter im CME-Formular eintragen.
Wir freuen uns immer über Feedback via Kontaktformular oder eMail:
F Forgetting – fehlende Medikamenteneinnahme, insbesondere Diuretika
A Arrhythmie, insbesondere tachykardes Vorhofflimmern
I Infarkt/Ischämie
L Lifestyle: Nicht-Einhalten einer Trinkmengenbeschränkung
U Upregulation of cardiac demand (Hyperthyreose, Infekt, Schwangerschaft)
R Renal failure → Nierenversagen
E Embolie
S Stenosen der Herzklappen und andere Vitien
CHAMPIT
C Coronary (akutes Koronarsyndrom)
H Hypertension (hypertensiver Notfall)
A Arrhythmie
M Mechanik (akute mechanische Ursache)
z. B. Ruptur Papillarmuskel, freie LV-Wand oder VSD bei Infarkt
P Pulmonary (Embolism)
I Infections
T Tamponade
Punchlines
in der Aufnahmesituation
je akut kränker die Patient:innen, desto eher gilt: nutzt die Echtzeit-Informationsquelle einer kapillären oder arteriellen BGA zur Stratifizierung eines Schock-Geschehens, einer hypoxischen Insuffizienz, von Elektrolytstörungen.
Erkennt einen kardiogenen Schock rechtzeitig! Kümmert euch früh um ein Monitorbett mit Möglichkeit des invasiven Monitorings, Vasopressor- / Inotropika-Therapie.
Identifiziert ein Lungenödem rasch mittels Lungensonographie, Röntgen und Auskultation, startet früh mit diuretischer i.v-Therapie, Nachlastsenkung und NIV.
Es lohnt sich eigentlich immer, direkt ein Sonographie-Assessment zu machen. Stichworte: intravasaler Volumenstatus, Pleuraergüsse, Lungensonographie, Nierenmorphe / Harnstau / Blasenfülle, Pumpfunktion und Rechtsherzbelastungszeichen. Der Informationsgewinn ergänzt den klinischen Eindruck immens.
Verzögert mögliche Diagnostik nicht, insbesondere eine Thorax-CT-Angiographie hat ggf. massive therapeutische Konsequenzen, sie sollte nicht erst zweizeitig im Verlauf des Aufnahmetages oder bei Verschlechterung sondern entsprechend der klinischen Wahrscheinlichkeit direkt im Aufnahmesetting durchgeführt werden.
Therapiert zeitnah Herzrhythmusstörungen, insbesondere tachykardes Vorhofflimmern als Evergreen-Auslöser von akuter Herzinsuffizienz.
Eine gestaute Niere hat eine erniedrigte Filtrationsleistung! Auch bei erhöhtem Kreatinin MUSS eine diuretische Therapie erfolgen, wenn Hypervolämie gesichert ist. Nicht vom Kreatinin irritieren lassen!
während des stationären Verlaufes
Diagnostik entsprechend der therapeutischen Konsequenzen,
haltet es rational! Wenn innerhalb der letzten 3 Monate eine Echokardiographie erfolgt ist, ist sie möglicherweise aktuell nicht erneut nötig. Die 90-jährige, nestelige, demente Patientin, bei der niemand einen Klappeneingriff vertreten würde, profitiert ebenfalls mutmaßlich nicht von einem Aufenthalt auf der Echoliege und einem frustrierten Untersucher.
Ansonsten gilt: Echo und Langzeit-EKG sollten Standard sein, weitere kardiale Diagnostik und Coronarangiographie abhängig von klinischen Beschwerden, EKG-Befund und kardialen Biomarkern.
Zunächst tägliche Kontrollen von Elektrolyten und Retentionsparametern unter diuretischer Therapie!
ggf. Substitution von Kalium, CAVE bei Verschlechterung der Nierenfunktion
insbesondere bei HFrEF und Hypokaliämieneigung Co-Medikation mit Aldosteron-Antagonisten erwägen.
Bei relevanter Hypotonie mit Perfusionsproblemen (Krea hoch, Lactat, Schockzeichen) → Überwachungsindikation! Bei leichter Hypotonie ohne Perfusionsprobleme antihypertensive Medikation passager anpassen:
Primär Ca-Antagonisten reduzieren oder pausieren, dann ß-Blocker
ARNI/ACE/ARB haben Vorteile in der Nachlastsenkung und sollten nicht komplett abgesetzt werden, wenn Blutdruck und Nierenleistung es zulassen
Wenn eine Tachyarrhythmie- / Extrasystolie- / VT-Anamnese zugrunde liegt, ß-Blocker priorisiert beibehalten
Diuretikadosis: Das Dose-Trial von 2011 zeigte, dass es keine bahnbrechenden Unterschiede in der Komplikationsrate zwischen einem low-dose- (d.h. orale Dosis i.v. geben) und high-dose-Ansatz (2,5-fache orale Dosis i.v. geben). Die high-dose-strategy brachte aber einen besseren Relief der Dyspnoe, eine größere Flüssigkeits- und Gewichtsabnahme und weniger schwere adverse Events.
Eine kontinuierliche Gabe von Diuretika zeigte keinen Vorteil gegenüber Bolusgaben, kann aber bei Niereninsuffizienz trotzdem zielführend sein.
Wenn schon eine diuretische Dauermedikation besteht:
bei Umrechnung von Tora- zu Furosemid empfehlen wir ein Dosisäquivalent von 1:4
→ 1,5 – 2,5-fache Dosis der oralen Schleifendiuretika-Dosis i.v geben
→ bei warm/wet + normale E’lyte + Krea → eher 2 – 2,5-fache Dosis i.v.
→ bei cold/wet ohne relevante Hypotonie, bereits Na+/K+ niedrig → 1 – 1,5-fache Dosis i.v.
Es gibt kein generelles “Zu viel” an Diurese, solange die E’lyte und Retentionsparameter stabil bleiben. Wenn der Patient 4,5 Liter ausscheidet, aber die Werte am nächsten Tag stabil sind, behaltet ihr diese Dosis auch für 2-3 weitere Tage bei.
Wenn keine diuretische Medikation besteht: Beginn mit 2 x 40 mg Furosemid i.v.
Erfolgskontrolle: Hat die Diurese erfolgreich eingesetzt? (DK-Output, klinische Anamnese)
Diuretische Response kann auch durch Natrium-Bestimmung im Spot-Urin bewertet werden, besonders hilfreich bei Patient:innen mit (noch?) niedriger Ausfuhr. Spot-Natrium <50-70mmol/l 2h nach Gabe zeigt bei Patient:innen mit Stauung eine inadäquate Diuretika-Antwort an.
Bei inadäquater Response direkte Dosiserhöhung, nicht erst bis zur nächsten Dosis warten.
Ziel 1,5 – 2,5 kg Flüssigkeitsverlust in den ersten 3 Tagen
bei Muskelschmerzen unter diuretischer Therapie Magnesiumsubstitution oral
Bei Anhalt für eine Diuretikaresistenz: 2x täglich Thiaziddiuretika erwägen (zB Xipamid), wenn es die Filtrationsleistung erlaubt
CAVE Potenzierung der Hyponatriämie und Hypokaliämieneigung (und Hypomagnesiämie)
Die genannten Empfehlungen gelten für HFrEF! Wenn man dem HFrEF Patienten die Nachlast per Diurese nimmt, hat das Schlagvolumen bessere Chancen.
Bei HFpEF liegt eine dauerhafte mechanische Problematik des Ventrikels, eine Füllungsrestriktion des steifen Ventrikels vor. Die EF ist zwar erhalten, das Schlagvolumen ist aber fixiert. Von daher hilft dem Patienten die Nachlastsenkung viel viel weniger und kann sogar rasch zu Hypotonien und Schock führen. Die Diurese muss also zurückhaltender erfolgen und man muss deutlich wachsamer bezüglich Hypotonie sein.
Entlassung
Entlassung möglich sobald adäquate Dekongestion und stabile Retention unter OMT
ESC-Guidelines empfehlen erstes ambulantes Follow-up innerhalb von 7 Tagen nach Entlassung
Bestenfalls Anbindung an HF-Netzwerkpraxis und multidisziplinäres Management von
Medikamenten-Adhärenz und Auftitration zielgerichteter Therapie
Zuhause eigenständige Gewichtskontrollen und Dokumentation
Gute Information und Selbstermächtigung der Patient:innen könnten hier eine wichtige Rolle spielen: Die Wichtigkeit einer guten Compliance muss verstanden werden, Patien:innen sollten in der Lage sein, Symptome einer sich verschlechternden HF zu erkennen, sollten ggf. einen Plan haben, wann Diuretika-Einnahme begonnen oder die Dosis eskaliert werden sollte und sollten wissen, wann Kontakt zu Behandler:innen hergestellt werden muss, um unnötige Verzögerungen zu vermeiden.
zur Entlassung Dokumentation von “Trockengewicht”, NT-proBNP und frischer Medikationsplan
Literatur
Arrigo M, Jessup M, Mullens W, Reza N, Shah AM, Sliwa K, Mebazaa A. Acute heart failure. Nat Rev Dis Primers. 2020 Mar 5;6(1):16. doi: 10.1038/s41572-020-0151-7. PMID: 32139695; PMCID: PMC7714436.
Ponikowski P, Voors AA, Anker SD, Bueno H, Cleland JGF, Coats AJS, Falk V, González-Juanatey JR, Harjola VP, Jankowska EA, Jessup M, Linde C, Nihoyannopoulos P, Parissis JT, Pieske B, Riley JP, Rosano GMC, Ruilope LM, Ruschitzka F, Rutten FH, van der Meer P; ESC Scientific Document Group. 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. The Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC). Developed with the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur Heart J. 2016 Jul 14;37(27):2129-2200. doi: 10.1093/eurheartj/ehw128. Epub 2016 May 20. Erratum in: Eur Heart J. 2016 Dec 30;: PMID: 27206819.
Matsue Y, Damman K, Voors AA, Kagiyama N, Yamaguchi T, Kuroda S, Okumura T, Kida K, Mizuno A, Oishi S, Inuzuka Y, Akiyama E, Matsukawa R, Kato K, Suzuki S, Naruke T, Yoshioka K, Miyoshi T, Baba Y, Yamamoto M, Murai K, Mizutani K, Yoshida K, Kitai T. Time-to-Furosemide Treatment and Mortality in Patients Hospitalized With Acute Heart Failure. J Am Coll Cardiol. 2017 Jun 27;69(25):3042-3051. doi: 10.1016/j.jacc.2017.04.042. PMID: 28641794.
Felker GM, Lee KL, Bull DA, Redfield MM, Stevenson LW, Goldsmith SR, LeWinter MM, Deswal A, Rouleau JL, Ofili EO, Anstrom KJ, Hernandez AF, McNulty SE, Velazquez EJ, Kfoury AG, Chen HH, Givertz MM, Semigran MJ, Bart BA, Mascette AM, Braunwald E, O’Connor CM; NHLBI Heart Failure Clinical Research Network. Diuretic strategies in patients with acute decompensated heart failure. N Engl J Med. 2011 Mar 3;364(9):797-805. doi: 10.1056/NEJMoa1005419. PMID: 21366472; PMCID: PMC3412356.